Die erstmals an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg veranstaltete Fortbildung des Verbandes füllte den Hörsaal H 10 mit über 70 Zuhörern.
Die Themen umfassten die Anerkennungsbereiche:
Bauabnahme, Thermische Nutzung, Kleinkläranlagen und Eigenüberwachung.
Präsident Udo Bosch eröffnete die Veranstaltung um 9:00 Uhr und übergab das Wort an Herrn Rüttinger, LfU der über Neues aus der Anerkennungsstelle berichtete.
Herr Rüttinger stellte fest, dass die Anzahl der privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft rückläufig ist. Die meisten Anerkennungen wurden im Bereich Kleinkläranlagen, gefolgt von Bauabnahmen, thermischer Nutzung, Eigenüberwachung und technischer Gewässeraufsicht Abwasseranlagen ausgesprochen. Verschiedene Statistiken zeigen die Zahl der anerkannten PSW mit Sitz in den einzelnen Regierungsbezirken. Bei einer Gesamtzahl von 447 PSW haben 12 PSW ihren Sitz außerhalb von Bayern. Im Jahr 2021 wurden 33.027 wasserwirtschaftliche Maßnahmen bearbeitet. Die meisten Maßnahmen entfallen auf das Tätigkeitsgebiet Kleinkläranlagen.
Ein Vergleich der Arbeitsauslastung der privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft zeigt, dass zwischen 2013 und 2021 die Anzahl der PSW um 13 % abgenommen hat. Hingegen stieg die Anzahl der Gesamtmaßnahmen während dieses Zeitraums um 2 %. Rüttinger wies auf die Altersverteilung der PSW hin: Bei 457 PSW im Jahr 2022 betrug das Durchschnittsalter 59 Jahre. 49% aller PSW sind 60 Jahre oder älter. Daraus, so Rüttinger, lässt sich eine sehr hohe berufliche Erfahrung ableiten.
Im Hinblick auf die gesellschaftliche Wertigkeit der Berufsausbildung weist Rüttinger auf die Mitteilung der Bundesregierung vom 21.02.2014 (Deutscher Qualifikationsrahmen) hin, dass Meisterbrief und Bachelor als gleichwertig anzusehen sind. Nach dem Grundsatz, dass gleichwertige Qualifikationen zur Bewältigung von Aufgaben, die vergleichbar hohe Anforderungen stellen, befähigen, wurde daher seit 2019 ein Ausnahmeverfahren für die Anerkennung von PSW eingeführt. 2019 wurde bereits ein Abwassermeister als PSW Kleinkläranlagen anerkannt. Im Bereich der thermischen Nutzung genügen bereits Berufsqualifikationen gem. dem deutschen Qualifikationsrahmen als staatlich geprüfte Techniker und Baumeister, wobei eine mindestens dreijährige qualifizierte Berufserfahrung unter Vorlage einer größeren Anzahl an Referenzen nachgewiesen werden muss.
Für die technische Gewässeraufsicht Abwasseranlagen soll die Anzahl der zu überwachenden industriellen Abwasserbehandlungsanlagen erhöht werden. In der Ausschreibung im September/ Oktober 2023 sollen etwa 700 neue Anlagen erfasst werden. Es ist eine ausreichende Zahl an PSW für die technische Gewässeraufsicht erforderlich, die laut Rüttinger aber noch nicht erreicht wurde. Bewerber für diesen Anerkennungsbereich müssen i.d.R. zehn einschlägige Referenzen vorlegen. Alternativ kann die Absolvierung von Praxistagen (Begleitung eines PSW tGewAA) als Ausgleich fehlender Berufserfahrung akzeptiert werden. Als fachliche Voraussetzung wurde ein erfolgreicher Abschluss als Bachelor oder Diplomingenieur an einer Universität oder Hochschule genannt. Ausnahmen sind in begründeten Fällen möglich. Die Berufserfahrung sollte aus dem Bereich kommunaler Kläranlagen kommen.
Ein besonderes Anliegen ist das Verständnis für die unabhängige Ausübung der Sachverständigentätigkeit. Er stellte mehrere Fallbeispiele zur Unabhängigkeit bei der Bauabnahme von Maßnahmen zur Grundwasserbenutzung und thermischen Nutzung vor. Es ist stets auf die direkte Beauftragung des PSW durch den Bauherrn zu achten. Beauftragungen durch Dritte können den PSW als befangen erscheinen lassen und dessen Unabhängigkeit infrage stellen. Die Anerkennungsstelle kontrolliert stichprobenartig die Tätigkeit der PSW. Im vergangenen Jahr wurden mehrere PSW durch Kreisverwaltungsbehörden, Wasserwirtschaftsämter, PSW´s oder private Personen gemeldet, was zu Beschwerdeverfahren führte. Die Sensibilisierung aller Behörden und PSW ist hier dringend geboten, da z.B. eine Beauftragung des PSW durch Bohrfirmen, Baufirmen u.a. zwangsläufig zum Anschein der Befangenheit und damit zu Problemen und schließlich zum Verlust der Anerkennung führt.
Eine neue Möglichkeit der Einschaltung von PSW durch Kollegen wurde in Abstimmung mit dem Umweltministerium eröffnet, nämlich im Bereich der Weitervergabe von Arbeiten bei der baubegleitenden Bauabnahme thermische Nutzung. Bei der Bauabnahme kann es aus triftigen Gründen zu einer terminlichen Verschiebung der Arbeiten kommen, wobei der mit der begleitenden Bauabnahme beauftragte PSW nicht immer rechtzeitig und völlig flexibel auf Terminverschiebungen reagieren kann. Hier besteht die Möglichkeit, Kollegen vertretungsweise einzusetzen.
Für den Bereich der baubegleitenden Bauabnahme weist Rüttinger auf Mitteilungen aus dem Themenkreis Thermische Nutzung hin, dass sich Bohrunternehmen nicht an die Bohrtiefenbeschränkung hielten. Dies ist vom PSW zu dokumentieren und muss sofort vor Ort an die Kreisverwaltungsbehörde bzw. das zuständige Wasserwirtschaftsamt gemeldet werden. Falls eine baubegleitende Bauabnahme gefordert wurde und der PSW nicht dabei ist oder war, ist dies als Abweichung zu dokumentieren.
Zum neuen Aufgabenbereich abflusslose Gruben Artikel 60 a BayWG, Abwassersammelgruben, wurde die Änderung des BayWG längst beschlossen. Allerdings kam es bisher nicht zu einer Änderung der Verordnung bzw. zu Vorgaben des Ministeriums und des LfU. Es fehlt eine detaillierte Aufgabenbeschreibung für den „PSW abflusslose Gruben“, d.h. die Zuordnung der Aufgaben in bestehende Anerkennungsbereiche oder die Schaffung eines neuen Anerkennungsbereichs.
Im Bereich der Bauabnahme erfolgt eine Umstrukturierung insbesondere deshalb, weil sich hier die Bauabnahmebereiche Niederschlagswasser, Mischwasser, Abwasser und Kläranlagen teilweise überschnitten. Hier werden neue Bescheide erforderlich, wobei die im Bereich Niederschlagswasser tätigen PSW in andere Anerkennungsbereiche überführt werden.
Die Jahresberichte sollten bis spätestens 31.01. des folgenden Jahres abgegeben sein. Im Hinblick auf Neuerungen verwies Rüttinger auf die Fortschreibung der Sachverständigenverordnung Wasser, der EÜV und der Verordnung für Pläne und Beilagen im wasserrechtlichen Verfahren (WPBV).
Die nachfolgende Diskussion war geprägt von Fragen zur Unabhängigkeit der PSW, zu im Ingenieurbüro angestellten PSW und die Wahrung deren Unabhängigkeit innerhalb des Bürobetriebes. Ferner wurde eine Reihe von Fragen zur Weiterentwicklung der PSW -Tätigkeiten insbesondere zum Vollzug des Art. 60 BayWG gestellt.
In seinem Vortrag, zur Frage, ob ein Boden versickerungsfähig ist, erläuterte Udo Bosch verschiedene Begriffe zur Durchlässigkeit von Böden.
Er beschrieb den Begriff kf-Wert, Anwendungsbeispiele sowie Anwendungs-regelungen (Arbeitsblatt DWA A 138) und nannte entwässerungstechnisch relevante Versickerungsbereiche, beschrieben durch Durchlässigkeitsbeiwerte. Hier liegt der entwässerungstechnisch relevante Versickerungsbereich etwa in einem kf- Wertbereich von 1 x 10 -3 bis 1 x 10 -6 m/sec. Für die Versickerung von Niederschlagsabflüssen sollte eine gewisse Verweilzeit im Boden erreicht werden, um eine Reinigung durch chemische, biologische und physikalische Vorgänge während der Bodenpassage zu gewährleisten. Denn kf- Werte >1 x 10 -3 zeigen eine sehr hohe Versickerungsgeschwindigkeit, wohingegen Werte < 1 x 10 -6 /sec eine stauende Wirkung beschreiben.
Die Durchlässigkeitsbeiwerte von wassergesättigten Böden wurden beschrieben. Bosch zeigte anhand von praktischen Beispielen Versickerungsanlagen und die Grundsätze der Dimensionierung solcher Anlagen.
Es besteht eine Reihe von Methoden zur Bestimmung von Durchlässigkeitswerten. Bosch zeigte die Methode der Bestimmung der Körnungslinie einer Bodenprobe nach Seiler, u.a. anhand derer man aufgrund der Kornverteilung kf- Werte abschätzen kann. Des Weiteren dienen Laborversuche, bei denen Bodenmaterialien im Laborversuch mit Wasser beaufschlagt werden, zur Bestimmung der Durchlässigkeit der gesättigten oder der ungesättigten Zone. Es ist dabei festzustellen, dass bei allen Laborversuchen die vertikale Durchlässigkeitsverteilung unberücksichtigt bleibt. Die Bestimmung der Durchlässigkeitswerte des Oberbodens erfolgt im Feldversuch u.a. nach Standard- Testmethoden z.B. mit Hilfe sog. Penetrometer bei denen zwei konzentrisch angeordnete Zylinder in den Boden eingebracht werden. Im zentralen Zylinder wird Wasser aufgegeben und die Fließzeit des im zentralen Zylinder aufgegebenen Wassers bis zum Austritt in den Raum zwischen Innen- und Außenzylinder gemessen.
Herr Hagen Güssow von der REHAU Akademie beschäftigt sich mit Starkregenereignissen und dem Flächenverbrauch und zeigt Lösungsansätze zur Abflussvermeidung und Abflussminderung.
Die Probleme sind insbesondere die Flächenverdichtungen, die zu erhöhtem Abfluss führen.
Er zeigte Systeme für die Behandlung von Starkregenabflüssen auf, erläuterte die Begriffe Versickerung und Retention und zeigte Anwendungsfälle für die von REHAU entwickelten und hergestellten Systeme für das Starkregenmanagement mit dem Systembegriff Rausikko. Es handelt sich dabei um aus Kunststoffmaterialien hergestellte Rückhalteräume, Funktionsschächte mit Drosseln zur Abflussdämpfung oder spezielle Reinigungsschächte.
Für den Rückhalt auf einzelnen Grundstücken wurden Schwimmerdrosseln entwickelt mit denen der beispielsweise in Zisternen gepufferte Starkregenabfluss gleichmäßig gedrosselt abgeleitet werden kann. Dadurch werden Niederschlagsereignisse bereits am Entstehungsort der Abflussbildung gepuffert.
Einige praktische Ausführungsbeispiele für Regenrückhaltung schlossen den Vortrag ab.
Mario Heißinger berichtete über die Problematik der Abflussbegrenzung mittels aller Arten von Drosselanlagen wie sie insbesondere zur Abflussbegrenzung in Mischwasseranlagen eingesetzt werden.
Der Abschlag aus Mischwasserbehandlungsanlagen ist zu begrenzen und zu messen.
Heißinger beschreibt Drosselorgane eingehend und erläutert deren Aufbau und Funktionsweise. Es gibt hierzu eine Reihe von Entwicklungen: Drosselorgane mit bewegten Teilen werden ebenso eingesetzt wie Drosselorgane ohne bewegte Teile, d.h., dass dabei die Durchflussöffnung nicht verändert wird. Demzufolge unterscheiden sich die Aufstellungsarten zwischen nass, halbtrocken und trocken, wenn das Drosselorgan in einem eigenen Bauwerk untergebracht ist. Die Bauweisen zeigen teilweise aufwendige konstruktive Details.
Die einfachste Art ist die Rohrdrossel wie sie als Drosselstrecke nach z.B. Stauräumen den Abfluss begrenzen. Deren Durchflussleistung hängt u.a. vom jeweiligen Wasserstand im Stauraum ab. Wenn z.B. konstante Durchflüsse eingehalten werden müssen, sind mechanische oder elektromechanische Einrichtungen erforderlich.
Für die Überprüfung der Drosselleistung gibt es in Bayern noch keine konkreten Vorgaben wie z.B. das Merkblatt LfU 4.7/3. Andere Bundesländer haben dafür bereits Regeln eingeführt.
Heißinger ging auf die Verfahren zur Vergleichsmessung ein, mit deren Hilfe die Qualität der Drossel bzw. der Einhaltung der Durchflussmenge bestimmt werden können und zeigte Praxisbeispiele.
Professor Stefan Rosiwal hielt ein spannendes Referat zur elektrochemischen Abwasserbehandlung.
Die elektrochemische Abwasserbehandlung birgt Potenziale für die weitergehende Abwasserreinigung (vierte Reinigungsstufe in kommunalen Kläranlagen) bzw. für die industrielle Abwasserreinigung z.B. zur Desinfektion, Oxidation von hormonell wirksamen Stoffen oder der Abscheidung von Schwermetallen.
Rosiwal berichtete über die Forschung der FAU Erlangen-Nürnberg mit bordotierten Diamantelektroden, deren Herstellung und ihrem Einsatz in der Abwasserreinigung. Die Dotierung mit geringen Mengen an Bor macht die Diamantbeschichtung elektrisch leitfähig und ermöglicht so den Einsatz als Elektrodenmaterial. Diamant ist chemisch stabil, daher werden die katalytisch wirkenden Elektrodenoberflächen nicht passiviert. Die Diamantelektroden können, anders als viele andere Elektroden, als Anode und als Kathode betrieben werden. Das bringt den Vorteil, dass die Elektroden durch Umkehr des Spannungsfeldes (+/ -) im laufenden Betrieb wirksam von Ablagerungen gereinigt werden können. Großtechnische Anlagen mit Anwendung von Diamantelektroden wurden u.a. in China errichtet. Die industrielle Anwendung in der Heimat ist, wie in vielen Fällen von innovativen Forschungsergebnissen in Deutschland, schleppend.
Der Vortrag von Herrn Zügner musste abgesagt werden. Das Thema wird zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt.
(bh)